Lautsprecherkabel

Bei Lautsprecherkabeln gibt es eine Vielzahl von Ausführungen und Meinungen über die optimale Konfiguration. Um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren, sollte man einen Seitenblick auf erprobte Lösungen in anderen technischen Bereichen werfen. In der professionellen Übertragungstechnik werden bevorzugt Koaxialkabel eingesetzt, um Verluste bei den hohen Frequenzen zu minimieren.

In diesen Kabeln erfolgt der Energietransport durch ein elektromagnetisches Feld, das vollständig zwischen dem Innenleiter und dem umhüllenden Außenleiter (Schirm) eingeschlossen ist.

So werden Streufelder und induktive Komponenten minimiert.

Die zugehörige Leitungstheorie ist sehr übersichtlich und auch in der Praxis ergeben sich nahezu ideale Verhältnisse: Koaxialkabel sind sehr breitbandig und sorgen für die zeitrichtige Übertragung der Signale.
 

Wie sieht nun die Situation bei den Lautsprecherkabeln aus?

Im Allgemeinen werden Zweifachlitzen mit großen Durchmessern oder aus Mehrfachlitzen gefertigte Kabel verwendet. Bei diesen Kabeln breitet sich ein Teil des elektromagnetischen Feldes in den Außenraum aus. Das erhöht den induktiven Anteil der Kabelimpedanz und bewirkt neben Leitungsverlusten bei den hohen Frequenzen auch frequenzabhängige Laufzeiten (Dispersion), die den zeitlichen Signalverlauf verformen. Die höherfrequenten Signalkomponenten treffen verspätet ein und können von den niederfrequenteren Anteilen des Signalspektrums verdeckt werden.

Untersuchungen des Zeitverhaltens von konventionellen Kabeln offenbaren die Verformungen bei steilflankigen Signalübergängen (Transienten). Die Effekte liegen kabelabhängig im Prozentbereich,

sie können aber größere gehörmäßige Auswirkungen haben als gleichgroße nichtlineare Verzerrungen (Klirrfaktor, Intermodulation etc.). Die verursachten Signalfehler beeinträchtigen nicht nur die Transparenz komplexer Signalstrukturen, sie haben auch physiologische Auswirkungen. Unser Gehör betreibt nämlich ständig Mustererkennung und interessiert sich insbesondere für transiente Signalstrukturen (Knacken, Knistern etc.). Sie werden mit abgespeicherten Geräuschmustern verglichen und auf ein mögliches Gefahrenpotenzial hin analysiert. Dieser Prozess ist seit Urzeiten genetisch bei uns angelegt und kann überlebenswichtig sein.

Deshalb ist er auch ständig aktiv und läuft unterbewusst ab. Verfälschte akustische Informationen irritieren und belasten den Erkennungsprozess und können auf Dauer Ermüdungs- und Lästigkeitserscheinungen auslösen. Die zeitrichtige Wiedergabe komplexer Signale, insbesondere von schnellen zeitlichen Änderungen, ist also wichtig für ein ermüdungsfreies und entspanntes Hören und erleben.

Eine weitere physikalische Besonderheit, die bei allen stromdurchflossenen Leitern auftritt, ist der Skineffekt.

Er kennzeichnet die frequenzabhängige Eindringtiefe des elektrischen Feldes in den Leiter und damit die Verteilung der Stromdichte im Leiterquerschnitt. Bei Gleichstrom und Wechselstrom mit niedrigen Frequenzen findet die Stromleitung homogen im gesamten Leiter statt. Mit steigender Frequenz wird sie jedoch immer mehr an die Leiterperipherie verdrängt. Dieser Effekt macht sich auch schon bei den höheren Audiofrequenzen bemerkbar. Für Leiter aus Kupfer beträgt die Eindringtiefe bei 20 kHz nur noch etwa 0,5 mm. Das bedeutet, dass die Stromdichte 0,5 mm unter der Leiteroberfläche bereits auf fast ein Drittel abgesunken ist. Zur Leitermitte hin nimmt sie weiter exponentiell ab. Um frequenzunabhängige Stromleitungsverhältnisse im gesamten Audiobereich zu erreichen, sollte der Leiterdurchmesser weniger als 1 mm betragen.

Es ist also besser, dünne statt dicke Leiter zu verwenden. Litzen,

also Bündel mit vielen dünnen, nicht voneinander isolierten Adern, verbessern die Situation nicht. Sie verhalten sich ähnlich wie ein dicker massiver Leiter, da bei den höheren Frequenzen wegen des Skineffekts hauptsächlich nur die äußeren Adern leiten.

Eine ausführliche Darstellung der Kabelthematik findet man bei [1].

Welche Konsequenzen ergeben sich nun aus den bisherigen Erkenntnissen? Zweifelsfrei verbessern Koaxialkabel auch im Audiobereich das Zeitverhalten, weil ihr induktiver Impedanzanteil geringer ist als bei anderen Kabelarten. Der Skineffekt legt nahe, Kabel mit dünnen massiven Innenleitern zu verwenden.

Die Parallelschaltung mehrerer Koaxialkabel reduziert

die Verluste weiter und bietet ausreichende Reserven für die Übertragung großer Leistungen.

Hörvergleiche mit unterschiedlichen Kabeln haben den klanglichen Vorteil derartig konfigurierter Kabel bestätigt. Insgesamt ergibt sich ein transparenteres und homogeneres Klangbild mit verbesserter Lokalisierbarkeit und eindrucksvoller räumlicher Darstellung. Es ist aber noch ein weiterer Effekt zu berücksichtigen, wenn Koaxialkabel als Lautsprecherkabel eingesetzt werden. Idealerweise werden Koaxialkabel an beiden Enden mit der spezifischen Kabelimpedanz abgeschlossen, die üblicherweise 50 – 75 Ω beträgt. Dadurch werden Signalreflexionen unterbunden, die Signalverfälschungen ergeben können. Beim Betrieb als Lautsprecherkabel herrschen jedoch andere Verhältnisse: Verstärker mit einem hohen Dämpfungsfaktor weisen extrem niedrige Ausgangsimpedanzen auf, und auch die Lautsprecherimpedanzen bleiben weit unter der spezifischen Kabelimpedanz.

Diese Abschlussbedingungen führen zu einer Fehlanpassung des Koaxialkabels mit den damit einhergehenden Signalreflexionen und Signalverformungen. Dadurch kann das Kabel einen vom Verstärker und Lautsprecher abhängigen Eigenklang bewirken.

Was kann man nun tun, um diesen Effekt zu unterbinden oder zumindest zu dämpfen?

Eine sehr wirksame Möglichkeit ist die Parallelschaltung einer Leitung mit etwas abweichenden Eigenschaften, die einen Teil der Stromleitung übernimmt. Dadurch wird die Ausbildung von Reflexionen behindert, und das Kabel verhält sich weitgehend neutral.

Die zusätzliche Leitung muss sorgfältig abgestimmt werden,

um einen optimalen Effekt zu erreichen. 

Diese Leitung ist weiterhin so dimensioniert, dass der Gesamtwiderstand des Kabels extrem niedrig ausfällt.

Dadurch ist die Kopplung zwischen dem Verstärker und dem Lautsprecher so direkt, als wäre das Kabel nicht vorhanden.

Der Verstärker scheint in den Lautsprecher integriert zu sein.

Eine weitere Verbesserung bringt der Einsatz eines Basaltgewebes als Kabelummantelung. Die magnetisch wirksamen Bestandteile bewirken eine weitere Dämpfung störender Kabelreflexionen.

 

[1] The Essex Echo 1995. Hawksford: Electrical Signal Propagation & Cable Theory